Worte des Meisters
Kultur Extra, 04.06.2010
Ein neues Theaterstück erinnert an den einst verfemten Glaubensmystiker Meister Eckhart
Von Max-Peter Heyne
Anders als heutzutage hatten Kritiker innerhalb der katholischen Kirche im Mittelalter nicht nur die Stigmatisierung zu fürchten, sondern die Verbannung oder gar den Scheiterhaufen. Ein kirchenhistorisch besonders aufschlussreicher Fall ist der Prozess, den ein päpstliches Inquisitionsgericht gegen den Dominikanertheologen Meister Eckhart zwischen 1325-1328 wegen vermeintlicher Ketzerei geführt hatte.
An die inspirierende Kraft von Eckharts mystisch begründeten, philosophischen und theologischen Überzeugungen erinnert das Theaterstück „Ich und Gott sind Eins", das der Religionswissenschaftler und Autor Harald-Alexander Korp anlässlich des bevorstehenden 750sten Geburtstags von Meister Eckhart geschrieben hat, und das nach seiner erfolgreichen Uraufführung in Berlin am Himmel-fahrtstag am kommenden Wochenende noch einmal in der Ölbergkirche in Kreuzberg aufgeführt wird: „Ich und Gott sind Eins" ist ein Monolog für einen Schauspieler, das Meister Eckhart – eigentlich Eckhart von Hocheim – bei der Vorbereitung seiner Verteidigungsrede vor der päpstlichen Kommission in einem kargen Kämmerlein inmitten der päpstlichen Festung im französischen Avignon zeigt.
Der Text von H.-A. Korp, aber auch die angenehm straffe, pointierte Aussagen Eckharts herausarbeitende Inszenierung von Boris A. Knop, führen den menschenverachtenden Rigorismus, mit dem die Amtskirche traditionell gegen ihre unkonformistischen und progressiven Kräfte vorgegangen ist, vor Augen – ohne deswegen in billige Polemik zu verfallen. Im Gegenteil: Indem Korp den in seiner Klosterzelle isolierten Eckhart von den Geistern der Vergangenheit heimsuchen lässt, stellt er dessen zwiespältige Rolle als theologischen Vordenker einerseits und Repräsentant der institutionellen Kirche andererseits zur Diskussion.
„Ich und Gott sind Eins“ verweist schon im Titel darauf, dass Eckharts so genannte Negative Theologie, den Menschen mit ihrem beschränkten Vorstellungsvermögen und ihrer endlichen Lebenszeit die Möglichkeit abspricht, sich von Gott eine konkrete Vorstellung machen zu können, gleichzeitig aber von einem göttlichen Erkenntnis-„Fünklein“ ausgeht, das jedem Menschen innewohne, wahlweise als demütiges oder anmaßendes Bekenntnis ausgelegt werden kann.
Deshalb ist Eckhart in Korps Stück eine zwischen intellektueller Arroganz und angstvoller Verzweiflung, zwischen Freiheitswillen und Kirchenräson hin- und her gerissene Gestalt, die vom Schauspieler Werner H. Schuster kongenial und eindringlich verkörpert wird.
Der historische Eckhart übrigens folgte dem von der Amtskirche verlangten Widerruf seiner Thesen nur teilweise und starb vor Prozessende 1328. Seine Schriften durften wegen ihres relativierenden, mystischen Gehaltes nur punktuell und meist ohne Nennung des Autorennamens verbreitet werden und sind unter katholischen Theologen bis heute umstritten. Selbst zum 750sten Geburtstag Eckharts ist die Amtskirche in dessen Heimatstadt Erfurt nicht an der Aufführung des Theaterstückes interessiert.
Kultura-Extra, 04.06.2010
„Ich und Gott sind Eins“ am 04. und 05.06., jeweils 21 Uhr in der Ölberg-Kirche, Lausitzer Straße 28, 10999 Berlin-Kreuzberg. Vorbestellungen 01578–75 61 775 www.playeckhart.info/